Facharztvisite im Pflegeheim: Guten Tag, ich bin der Zuckerdoktor!
Eine ungewöhnliche Situation im Behandlungszimmer im Pflegeheim Kursana in Billstedt: Vor Ort wartet Dr. Christopher Jung mit seinem 4-köpfigen Team aus Wundassistentin, Diabetesberaterin, NäPa und Arzthelferin auf die nächste Patientin. Eine 83-jährige Dame wird im Rollstuhl in den Raum geschoben. Der Diabetologe begrüßt die Patientin: „Guten Tag, ich bin der Zuckerdoktor. Wenn es Ihnen recht ist, würde ich mir gerne einmal Ihre Füße ansehen.“
Amputationen verhindern
17 Bewohner des Pflegeheimes untersucht er an diesem Tag auf mögliche Diabeteskomplikationen. Dafür nimmt er sich sechs Stunden Zeit. „Viele Bewohner in Pflegeheimen haben Diabetes, teilweise mit Wunden an den Füßen oder gar Amputationen“, sagt Dr. Jung. Routinemäßige diabetologische Facharztbesuche gab es bisher so nicht. „Ich bin von der Gesundheit für Billstedt/Horn angesprochen worden, ob wir ein Pilotprojekt beginnen könnten, das regelmäßige Facharztbesuche in einem ausgewählten Pflegeheim ermöglicht. Denn insbesondere Amputationen, die auf das Diabetische Fußsyndrom zurückzuführen sind, ließen sich reduzieren, wenn rechtzeitig kontrolliert und fachgerecht behandelt wird“, so Dr. Jung.
Vier Augenprinzip
Dr. Matthias Kleij ist als Hausarzt für dieses Pflegeheim zuständig. Er ist regelmäßig bei der diabetologischen Sprechstunde dabei und ist vom vernetzten Arbeiten zwischen Haus- und Facharzt vor Ort überzeugt. Er überweist die Patienten an Dr. Jung: “Dadurch ist es möglich, dass der Diabetologe zu uns ins Pflegeheim kommen kann.” Die Patienten könnten dadurch umfassender versorgt werden. “Vier Augen sehen eben mehr als zwei”, sagt der Allgemeinmediziner.
“Und”, ergänzt Jung, “früher mussten die immobilen älteren Diabetespatienten mit einem Krankentransport in die Diabetes-Praxis gefahren werden. Dabei entstanden erhebliche Kosten. Dieses Geld kann jetzt eingespart werden.“
Modell für die Zukunft
Ihn habe das Projekt aus mehreren Gründen gereizt, erklärt Dr. Jung. „Viele ältere Patienten können nicht mehr aus eigener Kraft zu uns in die Sprechstunde kommen, jetzt können wir die Patienten gemeinsam mit ihren Hausärzten in ihrer Alltagsumgebung optimal betreuen.“ Vor allem im Hinblick auf die demografische Entwicklung und die daraus resultierenden Anforderungen an die medizinische Versorgung in der Pflege gehöre diesem Projekt die Zukunft. Ärzte, die an ähnlichen Projekten mitarbeiten wollen, können sich an das Team im Versorgungsmanagement wenden, das bei der Planung und Umsetzung unterstützt.